Digitalisierung und technologische Trends im Vergabewesen
E-Procurement und digitale Vergabeprozesse
Im Zuge der Digitalisierung setzen öffentliche Auftraggeber verstärkt auf elektronische Mittel und digitale Vergabeportale, um Ausschreibungsprozesse effizienter und transparenter zu gestalten. Bei Beschaffungen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist die elektronische Abwicklung des Vergabeverfahrens inzwischen verpflichtend. Auch bei Ausschreibungen im Unterschwellenbereich müssen Vergabeunterlagen potenziellen Bietern kostenfrei und direkt elektronisch zur Verfügung gestellt werden. Diese Entwicklung bringt erhebliche Vorteile mit sich, da die E-Vergabe den Bietern Zeit und Kosten spart und den administrativen Aufwand reduziert.
Künstliche Intelligenz als Wettbewerbsfaktor
Ein weiterer bedeutender Trend ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im öffentlichen Auftragswesen. Die KI-gestützte Automatisierung vereinfacht für Bieter den Zugang zu relevanten Ausschreibungen und unterstützt bei der Analyse von Ausschreibungsunterlagen sowie der Erstellung von Angeboten. Unternehmen, die frühzeitig auf diese Technologien setzen, können ihre Effizienz steigern und sich Wettbewerbsvorteile sichern. Darüber hinaus unterstützt KI bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse sowie bei der Einhaltung von Compliance-Vorgaben, was besonders für kleinere Unternehmen mit begrenzten Ressourcen wertvoll sein kann.
Bedeutung von Präzision und Transparenz
In einem zunehmend technologisch geprägten Umfeld gewinnen Genauigkeit und Klarheit in der Ausschreibungsbeschreibung weiter an Bedeutung. Präzise und eindeutige Leistungsverzeichnisse sind entscheidend, um allen Bietern die gleichen Voraussetzungen zu bieten und eine faire Auswahl zu gewährleisten. Ebenso wichtig ist die transparente Kommunikation von Bewertungskriterien und die Veröffentlichung aller relevanten Informationen, um das Vertrauen aller Beteiligten sicherzustellen.
Die Vergaberechtsreform 2024/2025
Das "Vergabetransformationspaket"
Am 27. November 2024 hat das Bundeskabinett das sogenannte "Vergabetransformationspaket" beschlossen, das auf einer umfassenden Konsultation mit über 450 Stellungnahmen basiert. Dieses Reformpaket zielt darauf ab, die Vergabeverfahren zu modernisieren, zu vereinfachen und nachhaltigere Beschaffung zu fördern. Der Gesetzentwurf gilt als erster und wichtigster Baustein einer umfassenden Transformation des öffentlichen Auftragswesens.
Wesentliche Maßnahmen der Reform
Die Reform umfasst mehrere Kernbereiche, die für Bieter von besonderer Relevanz sind:
- Bürokratieabbau: Die Nachweispflichten für Unternehmen werden reduziert und Nachprüfungsverfahren digitalisiert, was den administrativen Aufwand erheblich verringert.
- Förderung der Wirtschaft: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Start-ups sollen leichteren Zugang zu öffentlichen Ausschreibungen erhalten, wodurch der Wettbewerb gestärkt wird.
- Nachhaltigkeit: Umwelt- und soziale Kriterien werden zum Standard in Vergabeverfahren, wobei Auftraggeber flexibel über die Umsetzung entscheiden können.
- Beschleunigung: Gesamtvergaben für dringend benötigte Projekte in Infrastruktur, Verteidigung und Transformation werden erleichtert, was zu schnelleren Investitionen führen soll.
Mit einem jährlichen Vergabevolumen im unteren dreistelligen Milliardenbereich soll das neue Vergaberecht die deutsche Wirtschaft stärken, Innovationen fördern und die Entwicklung nachhaltiger Leitmärkte vorantreiben2.
Neue Wertgrenzen in den Bundesländern
Anpassungen in Bayern
Seit dem 1. Januar 2025 gelten in Bayern deutlich höhere Wertgrenzen für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Für Liefer-, Dienst- und freiberufliche Leistungen können Direktaufträge nun bis zu einem Betrag von 100.000 Euro netto erteilt werden. Im Bereich der Bauleistungen wurde die Wertgrenze für Direktaufträge sogar auf 250.000 Euro netto angehoben. Beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sowie Verhandlungsvergaben sind bis zu einem Auftragswert von 1.000.000 Euro netto möglich. Diese Regelungen sind befristet und gelten bis Ende 2029.
Änderungen in Rheinland-Pfalz
Auch in Rheinland-Pfalz wurden die Wertgrenzen zum Jahreswechsel angepasst. Für Bauleistungen nach der VOB/A sind beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu einem Auftragswert von 250.000 Euro netto zulässig, unabhängig vom Gewerk. Für freihändige Vergaben und Verhandlungsvergaben liegt die Wertgrenze bei 100.000 Euro netto. Eine bemerkenswerte Ausnahme gibt es für Bauleistungen im öffentlichen Wohnungsbau: Hier beträgt die Wertgrenze für beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb sogar 1.000.000 Euro netto, was den Bau öffentlicher Wohnprojekte erleichtern und beschleunigen soll.
Regelungen in Sachsen-Anhalt
Sachsen-Anhalt hat ebenfalls seine Wertgrenzen angepasst, geht dabei aber nicht so weit wie Bayern. Direktvergaben dürfen hier bis zu einem Wert von 15.000 Euro netto erfolgen, bei Bauleistungen liegt diese Grenze bei 20.000 Euro. Für freiberufliche Leistungen wurde ein höherer Wert von 80.000 Euro festgelegt. Diese moderateren Anpassungen spiegeln die unterschiedlichen regionalen Ansätze zur Vereinfachung des Vergabewesens wider.
Herausforderungen und Lösungsansätze für mehr Wettbewerb
Sinkende Bieterbeteiligung als Problem
Ein zunehmendes Problem im öffentlichen Vergabewesen ist die geringe Beteiligung von Bietern an Ausschreibungsverfahren. Der Europäische Rechnungshof hat in einem Bericht vom Dezember 2023 festgestellt, dass der Wettbewerb in den meisten EU-Staaten zurückgegangen ist. Die Anzahl der teilnehmenden Bieter gilt als zentraler Wettbewerbsindikator, und ein abnehmendes Interesse von Unternehmen an öffentlichen Ausschreibungen ist zu beobachten.
Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität
Um diesem Trend entgegenzuwirken, können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden:
- Einbindung von Bieter-Know-how: Die Nutzbarmachung von Bieter-Expertise und die Berücksichtigung von Bieterinteressen in der Leistungsbeschreibung können die Attraktivität einer Ausschreibung erhöhen.
- Qualitative Zuschlagskriterien: Ein reiner Preiskampf ist einer hohen Bieterbeteiligung nicht zuträglich. Die Festlegung qualitativer Zuschlagskriterien kann daher den Wettbewerb intensivieren.
- Mehr Flexibilität: Eine Öffnung der Verfahren und der ausgeschriebenen Verträge für mehr Flexibilität kann ebenfalls zu einer höheren Beteiligung führen.
Ausschreibungsmanagement auslagern
Ein zunehmend beliebter Ansatz für Unternehmen ist die Auslagerung der Suche, Qualifizierung und des vorbereitenden Projektmanagements im Ausschreibungsprozess. Statt wertvolle interne Ressourcen auf zeitaufwändige Recherchen und administrative Aufgaben zu verwenden, können spezialisierte Dienstleister oder KI-gestützte Lösungen diese Arbeit übernehmen.
Die Vorteile sind erheblich:
- Kostenersparnis: Unternehmen sparen sich den hohen personellen Aufwand, der mit der Identifikation und Analyse relevanter Ausschreibungen verbunden ist.
- Erhöhte Sichtbarkeit: Eine professionelle Ausschreibungsstrategie stellt sicher, dass keine relevanten Vergaben übersehen werden.
- Schnellere Reaktionszeiten: Durch vordefinierte Qualifikationsprozesse können Unternehmen schneller auf passende Ausschreibungen reagieren.
- Bessere Erfolgsquoten: Experten können frühzeitig Fallstricke erkennen, häufige Fehler vermeiden und die Qualität der Angebotsunterlagen optimieren.
- Fokus auf das Kerngeschäft: Die internen Teams können sich stärker auf die eigentliche Leistungserbringung und Strategie konzentrieren.
Nachhaltigkeit als zentrales Thema
Ein Kernaspekt der künftigen Entwicklung im öffentlichen Vergabewesen ist die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien. Die Vergaberechtsreform sieht vor, dass Umwelt- und soziale Kriterien zum Standard in Vergabeverfahren werden. Dies eröffnet Chancen für Unternehmen mit nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen, stellt aber auch neue Anforderungen an alle Bieter.
Technologische Weiterentwicklung
Die Digitalisierung des Vergabewesens wird weiter voranschreiten. Die Integration neuer Technologien in den Ausschreibungsprozess wird für mehr Effizienz und verbesserte Zugänglichkeit sorgen6. Unternehmen, die sich frühzeitig mit diesen technologischen Entwicklungen auseinandersetzen und entsprechende Kompetenzen aufbauen, werden davon profitieren können.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die aktuellen Entwicklungen im öffentlichen Vergabewesen bieten Unternehmen zahlreiche Chancen, stellen sie aber auch vor neue Herausforderungen. Die Vergaberechtsreform, die Anhebung der Wertgrenzen und die zunehmende Digitalisierung verändern die Spielregeln für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen.
Für Bieter empfiehlt es sich, die technologischen Möglichkeiten voll auszuschöpfen, sich mit den neuen rechtlichen Rahmenbedingungen vertraut zu machen und ihre Angebote verstärkt an Nachhaltigkeitskriterien auszurichten. Plattformen wie Bidpoint.ai können dabei wertvolle Unterstützung bieten, indem sie den Zugang zu relevanten Ausschreibungen erleichtern und wichtige Informationen für die strategische Planung bereitstellen.
Mit einem proaktiven Ansatz und der Bereitschaft zur Anpassung an die sich wandelnden Bedingungen können Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich am öffentlichen Vergabewesen teilnehmen und von den Chancen profitieren, die der Milliardenmarkt der öffentlichen Aufträge bietet.